Was ist Sprachheilpädagogik/ Logopädie?
Sprechen Lernen gleicht einem Wunder. Es beginnt bereits bei der Geburt mit dem ersten Schrei. Kopfwenden, Blickaufnahme, Lächeln und Zeigen sind weitere frühe Kommunikationsmittel. Die Sprachentwicklung beginnt somit lange bevor das Kind sein erstes „richtiges“ Wort spricht. Im weiteren Verlauf der Entwicklung werden in einem rasanten Tempo ohne große Mühe Laute, Wörter und ganze Sätze erlernt.
Durch verschiedenste organische oder funktionelle Ursachen kann die Sprachentwicklung beeinträchtigt sein. Es kann zu Auffälligkeiten der Kommunikation und Sprache, des Sprechens, der Stimme, des Hörens und des Schluckens kommen. Diese können innerhalb der Sprachheilpädagogik bzw. Logopädie behandelt werden.
Zu den häufigsten Auffälligkeiten im Kindesalter gehören:
Late Talker- Problematik: Es kommt zu einem deutlich verspäteten Sprechbeginn. Im Alter von 2 Jahren umfasst der Wortschatz dieser Kinder weniger als 50 aktiv gebrauchte Wörter. Die Sprachentwicklung ist verlangsamt, ohne dass medizinische Gründe vorliegen.
Spracherwerbsverzögerungen/ -störungen: Diese sind gekennzeichnet durch Schwierigkeiten im Bereich von Aussprache, Wortschatz (z.B. Wortabrufstörungen), Grammatik (z.B. fehlerhafte Satzstellung, falsche Verbindungen) und/ oder Sprachverständnis.
Phonetisch- phonologische Störungen (Artikulationsstörungen): Hierbei werden Laute und Lautverbindungen reduziert, ausgelassen, abgeändert oder fehlerhaft ersetzt. Infolgedessen klingt die Aussprache des Kindes undeutlich. Äußerungen des Kindes bleiben u. U. unverstanden.
Redeflussstörungen (Stottern, Poltern): Beim Stottern ist das flüssige Sprechen erschwert durch Wiederholungen, Dehnungen und Blockierungen. Als Begleitsymptomatik kann große Sprachanstrengung hinzukommen und Vermeidungsverhalten auftreten. Verkrampfte Mitbewegungen anderer Körperteile wie Mund, Gesicht und Körper sind charakteristisch. Zusätzlich kann die Sprechatmung betroffen sein. Bei erhöhter Sprechgeschwindigkeit spricht man von Poltern. Das Sprechen ist undeutlich, da Wortteile ausgelassen oder umgestellt werden.
Mutismus: Bei normalem Sprechvermögen kommt es zur totalen Sprechunfähigkeit bzw. zur Sprechverweigerung in bestimmten Situationen und/ oder auf bestimmte Personen bezogen (totaler vs. selektiver Mutismus).
Kommunikationsstörungen bei Autismusspektrum- Störungen, Schwerstmehrfachbehinderung, geistiger Behinderung: Im Rahmen dieser komplexen Störungsbilder kann bereits die nonverbale Kommunikation beeinträchtigt sein. Grundlegende Vorläuferfähigkeiten für das Erlernen expressiver Sprache wie Blickkontakt, Zeigegesten, Nachahmung und abwechselndes Handeln können nicht oder nur unzureichend ausgebildet sein. Teilweise fehlt die verbale Kommunikation ganz und es müssen geeignete Hilfsmittel gefunden werden, die eine verbale Kommunikation ersetzen oder unterstützen.
Sprachliche Beeinträchtigungen infolge organischer Fehlbildungen (z.B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildungen): Missbildungen im Gesichts- und Mundbereich können sich deutlich auf die Sprachentwicklung auswirken und artikulatorische Auffälligkeiten, veränderten Stimmklang, reduziertes Hörvermögen u.a. verursachen.
Hörstörungen: Funktionsbeeinträchtigungen oder Fehlbildungen im Bereich von Mittel- und/ oder Innenohr können Schwierigkeiten bzgl. Lautspracherwerb, Stimmklang u.a. nach sich ziehen.
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS): Die Fähigkeit zur Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung akustischer Reize im Gehirn ist eingeschränkt. Verschiedene Teilfunktionen der auditiven Wahrnehmung können betroffen sein (z.B. Aufmerksamkeit, Analyse, Merkgedächtnis). Die anatomischen Voraussetzungen für das periphere Hören sind dabei normal entwickelt.
Orofaciale Dysfunktionen: Aufgrund von Muskelfunktionsschwäche bzw. Fehlbildungen in Mund und Gesicht ist das muskuläre Gleichgewicht gestört. Es kommt u.a. zu eingeschränkten mundmotorischen Bewegungsabläufen, beeinträchtigter Sensibilität, vermehrtem Speichelfluss, Mundatmung, abweichendem Schluckmuster etc.
Verbale Entwicklungsdyspraxie/ kindliche Sprechapraxie: Bei diesen Aussprachestörungen sind infolge neurologischer Bedingungsfaktoren Sprechbewegungen und -bewegungsfolgen in ihrer Planung, Ausführung und Koordination beeinträchtigt. Das Lautinventar ist in seiner Entwicklung verändert. Die Aussprache kann sehr unverständlich, die Sprechweise auffällig sein.
Wie arbeiten wir?
Anbahnung, Unterstützung sowie Förderung der nonverbalen und verbalen Kommunikation des Kindes sind die zentralen Inhalte sprachtherapeutischer Arbeit. Ein möglichst früher Beginn der Begleitung erhöht deren Effektivität. Eine gute Beziehungsbasis von Kind und Therapeut sowie ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Therapeut bilden wichtige Voraussetzungen für die Arbeit. Die Behandlung ist individuell auf das einzelne Kind zugeschnitten, kindgerecht ausgerichtet und immer in spielerische Kontexte eingebettet. Neben indirekten Methoden (inszenierte Spielsituationen, angepasste Kontexte, Inputspezifizierung etc.) werden direktive Methoden (gezielte Übungen) eingesetzt. Je nach Störungsschwerpunkt kommen im Rahmen der logopädischen Frühförderung spezielle Behandlungskonzepte zum Einsatz.
Was sind unsere Ziele?
Die Sprachtherapie bzw. Logopädie bildet einen wesentlichen Bestandteil der ganzheitlichen Behandlung von Entwicklungsauffälligkeiten und komplexen Störungsbildern. Durch Zuwendung, Kontakt und das Erwecken von Neugier an der Umwelt gilt es, wichtige Schritte in der sprachlichen Entwicklung einzuleiten. Dem Kind soll die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv der Umwelt zuwenden, seine Belange ausdrücken sowie zwischenmenschliche Kontakte in Familie und Gesellschaft eingehen und gestalten zu können. Langfristige Zielsetzung des sprachtherapeutischen Arbeitens ist es, die Freude des Kindes an Interaktion und kommunikativem Austausch zu erwecken, ihm geeignete Mittel für die Kommunikation an die Hand zu geben und dadurch seine Lebensqualität zu erhöhen.
Da die Sprachentwicklung innerhalb der kindlichen Entwicklung eng an die Symbol- und Spielentwicklung gebunden ist, geht es im Rahmen der Sprachtherapie auch um die Anbahnung und Förderung symbolischer Kompetenzen sowie des Spielverhaltens. Des Weiteren werden sprachtragende sensorische Basisfunktionen innerhalb der Förderung angeregt.
Den Behandlungsbeginn bildet eine differenzierte Sprachdiagnostik.
Die anschließende Behandlung wird im Rahmen der Erfahrungswelt des Kindes spielerisch umgesetzt. Ein wesentlicher Bestandteil der logopädischen Therapie ist die Elternarbeit. Die Eltern werden aktiv in die Behandlung miteinbezogen. Sie werden kontinuierlich beraten über Fort- und Rückschritte in der kommunikativen und sprachlichen Entwicklung ihres Kindes und erhalten Anleitung zu förderlichem Sprechverhalten sowie Tipps zur sprachlichen Unterstützung zuhause.